Der Obsthof in Friedrichshafen-Kluftern ist Demobetrieb im Projekt „Insektenfördernde Regionen“ – Die Bodensee-Stiftung berät und begleitet bei der Umsetzung von Maßnahmen.
Aprikosen und Pfirsiche blühen seit jeher zeitiger als Apfelbäume. In diesem Jahr sichtete Bettina Arnold auf ihrer Obstanlage in Friedrichshafen-Kluftern allerdings schon Mitte März die ersten Aprikosenblüten, rund drei Wochen früher als üblich. So früh kann sich der Obstanbau nicht auf den Dienst von Honigbienen verlassen. Bei Temperaturen unter 12 Grad Celsius sind Frühblüher und aktuell viele Obstsorten mehr vor allem auf die Bestäubung durch Wildbienen angewiesen. Sie sind hartgesotten und suchen auch bei einstelligen Celsiusgraden Blüten auf. Doch viele der rund 560 Wildbienenarten in Deutschland kommen wie viele andere Insekten immer seltener vor.
Unterstützung bei individuell passsenden Maßnahmen
Insekten wieder mehr Lebensraum und Nahrung zu bieten, ist das Ziel des EU-LIFE-Projekts „Insektenfördernde Regionen“, das von der Bodensee-Stiftung geleitet wird. In sieben Regionen in Deutschland und Norditalien arbeiten Projektpartner daran, Insektenschutz in die Fläche zu bringen. In der Region Bodensee zählt der Obsthof Arnold zu den Demonstrationsbetrieben. Die im Projekt engagierten Landwirt*innen mit Obst-, Wein-, Gemüse- und Getreideanbau werden von Mitarbeiter*innen der Bodensee-Stiftung bei der Entscheidung für individuell für sie geeignete Maßnahmen beraten und bei der Umsetzung begleitet.
„Schon als Kind habe ich mich sehr für Insekten interessiert und sie beim Nisten, Schlüpfen, Krabbeln und Fliegen beobachtet“, erinnert sich Bettina Arnold. Sie vertritt die Haltung, dass auch Obstbauern eine Mitverantwortung für das Wohlergehen der Insekten tragen. Deshalb wollten die Arnolds in ihren Anlagen schon lange mehr für Insekten tun. „Ideen gibt es viele, sie sind aber oft nicht praxisnah“, sagt Bettina Arnold zur Begründung, weshalb sie sich nun im Projekt der Bodensee-Stiftung engagiert.
Von niederschwellig bis aufwändig
Begleitet von Projektmanagerin Annekathrin Vogel setzen die Arnolds sowohl einfache als auch aufwändigere Maßnahmen um. Eine der ersten, die viele auch in ihrem Vorgarten anwenden könnten, war, eine Forsythienhecke auszutauschen. Die Pflanzen sind hier nicht heimisch und deshalb für hiesige Insekten, die im Frühjahr dringend Futter benötigen, völlig wertlos. „Stattdessen haben wir Kornelkirsche, Gemeinen Liguster, Wolligen Schneeball, Rosa multiflora und Haselnuss gepflanzt“, zählt Bettina Arnold auf.
Aufwändiger und bereits wirkungsvoll war das Anpflanzen von sogenannten Ankerpflanzen. Auf Empfehlung von Agraringenieurin Annekathrin Vogel laden nun rotblättrige Wildrose (Rosa Glauca), Rosa Pimpinellifolia und Pfaffenhütchen die Insekten, Spinnen und auch Vögel am Ende von Obstbaumreihen zum Essen ein. Der Vorteil: Sie bieten den Insekten auch noch nach der Obstblüte bis in den Herbst Nahrung.
Wirkung von Ankerpflanzen überzeugt
Die Auswahl der Ankerpflanzen ist nicht profan: Die Kornelkirsche zum Beispiel ist gerade bei Steinobst nicht zu empfehlen, da sie die Kirschessigfliege anzieht, warnt die Obstbäuerin. Die invasive Insektenart legt ihre Eier in reifende Früchte. Die Larven zerstören dann die Früchte von Innen. Auch hängt die Entscheidung für die passenden Pflanzen vom vorhandenen Platz zwischen den Obstreihen ab. Schließlich sollen die Feldmaschinen weiterhin gut in die Fahrgassen einfahren können, ohne behindert zu werden und ohne die Pflanzen in Mitleidenschaft zu ziehen. „Bei künftigen Neuanlagen werden wir darauf Rücksicht nehmen und die Fahrgassen weiter anlegen“, kündigt Bettina Arnold an. Denn die Wirkung der Ankerpflanzen auf die Insekten hat sie überzeugt. Noch dazu sehen sie schön aus. Der Pflegeaufwand halte sich in Grenzen, „die schneidet man einfach beim Baumschnitt mit“, sagt die Obstbäuerin pragmatisch.
In Apfelanlagen willkommen, an Aprikosenbäumen weniger
Mehr Arbeitszeit als erwartet hätten blühende Fahrstreifen erfordert. „Das Mulchen hat uns ein Problem mit Wühlmäusen beschert“, sagt Bettina Arnold. Obwohl Greifvögel zufassten und auch unter Hagelnetzen erfolgreich Stellung bezogen, haben sich die kleinen Nager stark vermehrt. Die Gegenmaßnahme: In dieser Saison werden die Landwirte alternierend mulchen, das heißt, sie werden zeitversetzt nur jede zweite Fahrgasse entsprechend bearbeiten.
Umzug von Ohrenkneifern
So groß die Freude über mehr Insekten ist, sind doch nicht alle Insekten überall willkommen: Teilweise können sie sowohl als Nützlinge wie auch als Schädlinge auftreten. Während zum Beispiel die Unterstützung der Ohrenkneifer-Population in Apfelanlagen erwünscht ist, weil sie natürliche Feinde von Blutläusen sind, sind Ohrenkneifer an Aprikosenbäumen weniger willkommen: Hier schädigen sie angeknabberte Früchte weiter. Also ziehen die Arnolds die Tierchen mittels Ohrenkneiferfallen von Aprikosen- in Apfelanlagen um, damit sie dort gegen Läuse aktiv werden können.
„Wir möchten es gar nicht so weit kommen lassen.“
“Jeder kurzgeschnittene Rasen ist eine verschenkte Chance”
Wirkungsvoll war auch das Anlegen von zwei mehrjährigen Blühstreifen auf einer Grünfläche, auch wenn sie für Laien wenig beeindruckend wirkten. „Da waren im zweiten Jahr nicht mehr sehr viele bunte Blüten“, berichtet Bettina Arnold. Doch bieten die mehrjährigen Blühstreifen Insekten Überwinterungsmöglichkeiten. Dazu dienen auch Klee und z.B. Wilde Möhre als Nahrungsquellen. Auf manche*n Spaziergänger*in mag eine solche Fläche ungepflegt wirken. Bettina Arnold hat dazu aber keine negativen Rückmeldungen erhalten. „Selbst wenn: Das muss in unsere Köpfe rein, dass es nicht schön aussehen muss, wenn die Wirkung stimmt“, sagt sie mit Nachdruck. Sie würde sich auch in viel mehr Privatgärten und auf Firmengeländen eine naturnahe Gestaltung wünschen, „jeder kurzgeschnittene Rasen ist eine verschenkte Chance.“
Über ihren Betrieb hinaus gedacht seien Insekten einfach wahnsinnig wichtig für den Erhalt des gesamten Ökosystems – als Nahrungsquelle für Vögel und für viele weitere Funktionen, die die Insekten übernehmen, betont Bettina Arnold und fügt hinzu: „Wir fragen uns, was wohl passiert, wenn aus verschiedenen Gründen die Zahl der Insekten weiter abnimmt? Wir möchten es gar nicht so weit kommen lassen.“