Mehr als 100 Teilnehmende bei Fachkonferenz von “Food for Biodiversity”. Bodensee-Stiftung präsentiert Projekte.
Weltweit sind rund eine Million Arten akut vom Aussterben bedroht. Der Verlust der biologischen Vielfalt hat erhebliche Auswirkungen auf den Lebensmittelsektor. „Wie retten wir die Artenvielfalt?“ – mit dieser Frage eröffnete Keynote-Speakerin Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum die zweite große Food for Biodiversity-Fachkonferenz „Biodiversität im Lebensmittelsektor“ in Frankfurt am Main. Die Zahlen, die sie den rund 100 Teilnehmenden präsentierte, fordern zum Handeln auf: Der World Economic Forum Risk Report 2023 listet Biodiversitätsverlust und den Kollaps von Ökosystemen auf Platz vier der zehn größten Risiken, mit denen Unternehmen in den nächsten Zehn Jahren rechnen müssen.
„Wir leben im Anthropozän, der Mensch verändert das Klima, verändert den pH-Wert der Ozeane, verändert die Erdoberfläche“, sagt Katrin Böhning-Gaese. „Die kombinierten Effekte von Landnutzungsänderung und Klimawandel verursachen, dass sich die negativen Effekte auf die Biodiversität multiplizieren. Machen wir so weiter wie bisher, setzt sich der dramatische Rückgang der Artenvielfalt fort.“
Hilfestellungen und Plattform zur Kooperation
Die Veranstaltung wurde organisiert von der Branchen-Initiative „Food for Biodiversity“ und fand im Rahmen des Projekts „Unternehmen Biologische Vielfalt – UBi“ statt, das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert wird. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz der biologischen Vielfalt in der gesamten Lebensmittelbranche zu verbessern und hierzu Hilfestellung und eine Plattform für Kooperation zur Verfügung zu stellen. Die Bodensee-Stiftung ist Gründungsmitglied von “Food for Biodiversity” und Partner im Projekt UBi.
Außerdem war das internationale IKI-Projekt „Del Campo al Plato“ als Ko-Veranstalter dabei. Bei „Del Campo al Plato“ steht der Schutz der Biodiversität beim Anbau von Bananen und Ananas im Mittelpunkt. Auch hier ist die Bodensee-Stiftung engagiert.
Unter den Teilnehmenden waren Vertreter*innen der Wissenschaft, große Lebensmitteleinzelhändler wie Lidl, EDEKA, Kaufland, Aldi Süd und Coop, Lebensmittel verarbeitende Unternehmen wie Nestlé und Hipp, Zertifizierer wie Fairtrade und GlobalG.A.P. und Umweltorganisationen wie der WWF, die Bodensee-Stiftung und der Global Nature Fund.
Allianzen für die Transformation
Welchen Beitrag kann die Lebensmittelbranche, die stärker als jede andere von intakten Ökosystemen und deren Leistungen abhängt, also leisten, um Biodiversität besser zu schützen und zu fördern? Insgesamt 16 Vorträge, Diskussionen in Arbeitsgruppen und eine abschließende Fishbowl-Diskussion lieferten Ideen und Impulse, die über den Handel hinausreichen.
Patrick Trötschler und Marion Hammerl von der Bodensee-Stiftung, beide seit Jahren in mehreren Projekten aktiv für mehr Biodiversität in Landwirtschaft und Lebensmittelbranche, gestalteten die Konferenz als Referent*innen mit. Marion Hammerl stellte den Biodiversity Check Agricola vor, Patrick Trötschler sprach zum Thema „Über den Betrieb hinausdenken: der Landschaftsansatz“. Auch Instrumente, die Landwirt*innen und Unternehmen dabei unterstützen, Biodiversität besser zu managen, wurden präsentiert. Lidl und GlobalG.A.P. berichteten über die ersten Erfahrungen von 250 Obst und Gemüse erzeugenden Betrieben, die den Biodiversity Add-On-Standard implementieren. Das Forschungsprojekt BioVal stellte die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung vor, die Einblicke in die Bedürfnisse und Erwartungen der Konsument*innen rund um das Thema lieferten.
Blick auf internationale Lieferketten
Auch internationale Lieferketten wurden in den Fokus genommen, so wurde das Basis-Set an Biodiversitätskriterien für die Tropen vorgestellt, in das u.a. die Erfahrungen aus dem Projekt „Del Campo al Plato“ eingeflossen sind. Nestlé Deutschland und die Bodensee-Stiftung präsentierten erste Ergebnisse aus dem EU LIFE-Projekt „Insektenfördernde Regionen“, in dem Aktionspläne über die landwirtschaftlichen Betriebe hinaus auf der Landschaftsebene umgesetzt werden – auch das ist ein wichtiger Schritt, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen.
Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass diese große Herausforderung nur durch Kooperation gelingen kann. „Deshalb ist es jetzt die Aufgabe der ganzen Lebensmittelbranche, neue Allianzen zwischen Unternehmen, NGOs, der Wissenschaft und Zertifizierern zu schließen, um Produkte in die Regale zu bringen, die aktiv den Biodiversitätsschutz befördern“, sagt Peter Zens, Vorsitzender von Food for Biodiversity. „Die Konferenz hat deutlich gemacht, wie viele gute Gründe es gibt, sich mit Biodiversität zu beschäftigen und wie viel Wissen und gute Ansätze schon zur Verfügung stehen. Wir müssen endlich ernst machen, mit der Transformation zu nachhaltigen, biodiversitätsfördernden Unternehmensmodellen.“
Die Brancheninitiative „Food for Biodiversity“
Der Verein Food for Biodiversity wurde als Brancheninitiative im März 2021 gegründet mit dem Ziel, die Biologische Vielfalt zu schützen und einen Beitrag zur Transformation der aktuellen in nachhaltige und zukunftsfähige Ernährungssysteme zu leisten. Aktuell setzen die 27 Mitglieder – darunter Unternehmen, Verbände, Standardorganisationen sowie Umweltverbände und ein Forschungsinstitut – Pilotprojekte um und arbeiten an der kontinuierlichen Verbesserung wichtiger Werkzeuge wie des ebenfalls im UBi- Projekt erarbeiteten Basis-Sets an Biodiversitätskriterien und des kürzlich eingeführten Basis-Sets Tropen. Der Verein freut sich über weitere Mitglieder.
Weitere Informationen zu UBi ‒ Unternehmen Biologische Vielfalt
Anlässlich der Veranstaltung hat Deutschlandradio mit Marion Hammerl, Senior Expert der Bodensee-Stiftung und Vorstandsmitglied des Vereins “Food for Biodiversity” ein Interview zu Anforderungen an die Lebensmittelbranche für den Erhalt von Biodiversität geführt.