Die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft reicht nicht mehr! Kriterien zum Schutz der biologischen Vielfalt erforderlich

Copyright: BLE, Bonn, Thomas Stephan

Der Verlust der biologischen Vielfalt zählt neben dem Klimawandel zu den größten und zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Die Lebensmittelindustrie und der -handel haben wesentliche Wirkungen auf die biologische Vielfalt. Doch derzeit haben Biodiversität und Ökosystemleistungen und ihr Schutz noch nicht den Stellenwert in den Unternehmen, den sie aufgrund ihrer Bedeutung eigentlich genießen sollten.

Zum einen ist Landwirtschaft wichtig für den Erhalt der Biodiversität, da viele Arten und Lebensräume eng mit der landwirtschaftlichen Nutzung verknüpft sind. Schätzungsweise 50% der europäischen Arten sind auf landwirtschaftliche Lebensräume angewiesen. Auf der anderen Seite haben die immer intensiveren Produktionssysteme dramatische Folgen für die Biodiversität: Landnutzungsänderungen und Zerstörung von naturnahen Ökosystemen, Übernutzungen und Verschmutzungen von Gewässern und Böden oder der kontinuierliche Verlust der Nutzsorten und -rassen und damit der genetischen Vielfalt.

Über 100 Standards und Labels in der Lebensmittelbranche garantieren dem Handel, Lebensmittelherstellern oder auch dem Konsumenten in Deutschland eine bestimmte Qualität der landwirtschaftlichen Produkte oder Lebensmittel. Der Schutz der biologischen Vielfalt wird bei den meisten Standards nicht ausreichend berücksichtigt. Das gleiche gilt für die Vorgaben von Unternehmen für ihre Lieferanten.

Die Umweltorganisationen Bodensee-Stiftung und Global Nature Fund (GFN) – unterstützt von der REWE Group, Standardorganisationen und externen Experten – haben Empfehlungen für Kriterien von Standards und Labels erarbeitet, mit denen die biologische Vielfalt effizienter geschützt werden kann. Angesprochen sind Qualitätsstandards wie QS, GLOBAL G.A.P. oder regionale Qualitätszeichen, Nachhaltigkeitsstandards wie Fairtrade oder UTZ, aber auch Labels für Bioprodukte. Zusätzlich können Unternehmen mit eigenen Labels bzw. Anforderungen an Lieferanten die Kriterien integrieren.

 

Wo müssen Standards und Labels besser werden, wenn sie Biodiversität wirksam schützen wollen?

Die von der Bodensee-Stiftung und GNF vorgestellten Empfehlungen umfassen Empfehlungen für Standardpolitik, Biodiversitätsmanagement sowie Best Practice Ansätze zur Förderung der Biodiversität. Zum wirkungsvollen Management gehören der Schutz von primären und naturnahen Ökosystemen, eine Biodiversitäts-Risikoanalyse für landwirtschaftliche Flächen sowie einen aussagekräftigen Biodiversity Action Plan auf Betriebsebene mit messbaren Zielen, konkreten Maßnahmen zum Schutz von ökologischen Strukturen, von geschützten und gefährdeten Tierarten sowie Maßnahmen zur Förderung der Arten-, Sorten- und Strukturvielfalt. Die Vorgaben für einen Biodiversity Action Plan bezüglich der Struktur und Inhalte müssen von den Standardorganisationen vorgegeben werden, um eine gute Qualität zu sichern. Dazu gehört auch das Einholen von Ratschlägen bei der lokalen oder regionalen Naturschutzbehörde oder Umweltschutzorganisation. Biodiversity Action Pläne sollten alle drei Jahre überprüft und fortgeschrieben werden.

Marion Hammerl von der Bodensee-Stiftung unterstrich, dass die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft nicht ausreicht, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. „Trotz der guten fachlichen Praxis sehen wir deutlich negative Trends wie Grünlandverlust, Bodenerosion, hohe Nährstoffüberschüsse und Pestizidrückstände in Böden und Gewässern. Wir müssen hier dringend einen Schritt weiter kommen. Eine sehr gute fachliche Praxis ist gefragt, wenn es um die Bereiche Bodenschutz, Düngemanagement, Pflanzenschutz und Wassernutzung geht.“ Auch dazu liegen nun Handlungsempfehlungen vor.

Der Schutz der biologischen Vielfalt ist komplex, d.h. Standardorganisationen sollten Schulungsangebote für Berater und zertifizierte Betriebe haben. Auch Zertifizierer und Auditoren müssen geschult werden, um die Qualität der umgesetzten Maßnahmen beurteilen zu können. Die beiden NGOs weisen außerdem darauf hin, dass Umweltorganisationen und Naturschutzbehörden das notwendige Know-how in Sachen Biodiversität in der Region haben und eingebunden werden sollten.

„Die Integration von Biodiversitätskriterien in Standards gewinnt in der Lebensmittelbranche immer mehr an Bedeutung. Sie sind eine wichtige Orientierung für diejenigen, die im Unter-nehmen für den Einkauf bzw. die Qualitätssicherung verantwortlich sind und selbstverständlich eine wichtige Orientierungshilfe für die Kunden.“, begründet Dr. Josef Lüneburg Wolthaus von der REWE Group die Unterstützung seines Unternehmens für das Projekt.

 

Die nächsten Schritte der Initiative

Bodensee-Stiftung und Global Nature Fund werden die Standardorganisationen sowie Unternehmen individuell darauf ansprechen, welche Empfehlungen übernommen werden können. Manchmal reicht eine Optimierung bestehender Kriterien aus, um den Schutz der biologischen Vielfalt wirkungsvoll zu steigern.

Außerdem wollen die Organisationen die Standards und Labels motivieren, ein gemeinsames Monitoringsystem aufzubauen, um die Wirkungen von Maßnahmen zu überprüfen und Kriterien zu verbessern. Bislang kann keiner der Standards nachweisen, dass sein System einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität und Ökosystemleistungen leistet. Es macht daher Sinn, dass das Monitoring als standardübergreifende Aufgabe gemeinsam angegangen wird.

 

Baseline-Report und Empfehlungen zum Download unter:

http://www.business-biodiversity.eu/default.asp?Lang=DEU&Menue=229  

 

Weitere Informationen:

Marion Hammerl, Bodensee-Stiftung:                  Stefan Hörmann, Global Nature Fund

marion.hammerl@bodensee-stiftung.org          hoermann@globalnature.org

 

Die Pressemitteilung finden Sie in PDF Version hier.

Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.  Unterstützt durch die REWE Group.