Natur-Liebhaber*innen legten sich für die Sommerferien-Challenge der Bodensee-Stiftung auf die Lauer. Die Fleißigsten erhalten einen Buchpreis für ihr Engagement.
Was fliegt denn da? Das herauszufinden waren Bürger*innen in den Regionen Bodensee und Nördlicher Oberrhein in der „Sommerferien-Challenge“ eingeladen. Sie konnten im Zeitraum vom 18. August bis 8. September ihre Entdeckungen per Foto in der App iNaturalist hochladen. Neben einer künstlichen Intelligenz bestimmen auch Expert*innen die in die App hochgeladenen Fotos.
Im Aktionszeitraum wurden in den Regionen Nördlicher Oberrhein und Bodensee rund 450 Insekten-Arten erfasst. Die Bodensee-Stiftung leitet das EU-Life-Projekt „Insektenfördernde Regionen“ und arbeitet mit Partnern in sechs Regionen in Deutschland sowie im Vinschgau daran, in regionalen Allianzen Insektenschutz in die Fläche zu bringen. Mitarbeiter*innen der Bodensee-Stiftung beraten und begleiten dabei Akteure in den Regionen Nördlicher Oberrhein und Bodensee. Deshalb waren insbesondere hier Bürger*innen eingeladen, auf Entdeckungstour zu gehen.
Die engagiertesten Beobachter*innen der Region Bodensee
Maren Teschauer hat in der Region Bodensee während eines Kurzurlaubs die meisten Arten dokumentiert. Nach einem für sie „richtungsweisenden“ Praktikum bei der Schutzgebietsbetreuung des BUND Möggingen 2021 kommt sie immer wieder gerne zurück. Ihr besonderes Interesse gilt Heuschrecken, über die sie auch ihre Bachelorarbeit geschrieben hat. „Aber generell interessiert mich alles, was mir an Pflanzen, Spinnen und Insekten in der Natur begegnet“, erzählt die Preisträgerin, die aktuell in Freising Naturschutz und Landschaftsplanung studiert. Während der Challenge am Bodensee hat sie sich besonders über die Sichtung der Großen Schiefkopfschrecke gefreut, die in Deutschland früher nur am Bodensee vorkam, aber inzwischen in der Ausbreitung begriffen ist. Im größten Teil Deutschlands sieht man sie aber bisher noch nicht.
Peter Weinreich aus Langenargen hat erst spät von der Challenge erfahren, sich dann aber ins Zeug gelegt. Sein Interessenschwerpunkt liege eigentlich in der Botanik. „Pflanzen und Insekten sind auf interessante und vielfältige Weise aufeinander angewiesen, das hat mein Interesse geweckt“, berichtet er und ergänzt: „Smartphone und die vorzügliche Bestimmungs-App iNaturalist sind da eine tolle Hilfe, auch auf eigene Faust neue Arten kennenzulernen.“
Zu seinen aufregendsten Entdeckungen als Bürger-Wissenschaftler zählte bisher die Raupe eines Kolbenwasserkäfers, die er als schwarzes, daumendickes, zirka zehn Zentimeter langes gruseliges Ungetüm mit kräftigen Kiefernzangen beschreibt. Sie sorgte auf der Straße zum Strandbad Eriskirch für Aufsehen, wurde aber von ihm und Strandbadbesuchern vor den Autos geschützt, bis sie das sichere Gras erreicht hatte. „Ich persönlich freue mich, wenn mehr Menschen Freude auch an den kleinen und weniger beachteten Naturwesen finden“, sagt Peter Weinreich einladend an Mitbürger*innen.
Die engagiertesten Beobachter*innen der Region Nördlicher Oberrhein
Gerold Franke aus Karlsbad-Spielberg hat in der Region nördlicher Oberrhein die meisten Beobachtungen im Aktionszeitraum hochgeladen. Er beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Naturfotografie, besonders begeistert er sich für Insekten und Pflanzen. „Man möchte natürlich auch immer gerne wissen, was man fotografiert hat und die Artenvielfalt auch anderen näherbringen. So kam ich u.a. auch zu iNaturalist“, berichtet Gerold Franke, der als Gestalter der Internetseite des NABU-Ortsverbandes Karlsbad/ Waldbronn hier entsprechende Rubriken eingerichtet hat.
Auch Helmut Jacobs aus Bruchsal ist ein alter Hase im Umgang mit der App iNaturalist. Dennoch hat er im Aktionszeitraum viele Entdeckungen zu verzeichnen. „Als ich 2015 bei iNaturalist eingestiegen bin, dachte ich, die Natur hier sei noch weitgehend in Ordnung“, sagt der Naturfreund. Damals habe er die App benutzt um besonders schöne Bilder zu präsentieren. „Aber ein oder zwei Jahre später war die Zahl der Mäusebussarde auf einmal deutlich reduziert. Daraufhin habe ich begonnen, zu dokumentieren, was noch vorhanden ist, ohne Rücksicht darauf wie ‘gewöhnlich’ die Art ist“, berichtet er. Dabei deckt er ein breites Spektrum ab: Pflanzen, Säugetiere, Vögel, Insekten. „Besondere Aufmerksamkeit habe ich den hier noch zahlreichen Hirschkäfern gewidmet, aber deren Zeit war in der Challenge schon vorbei“, ergänzt er.
Ina Siebert aus Heidelberg hat schon vor zehn Jahren die Naturbeobachtung für sich entdeckt. „Seitdem gehe ich so oft wie möglich raus und schaue, welche Lebewesen ich wo und wann finden kann.“ Am meisten haben es ihr die Insekten angetan „mit ihrer unendlichen Vielfalt und ihrer Schönheit, die sich dank der Makrofotografie offenbart. Ich bin immer wieder fasziniert davon, welche Farben, Formen und Muster sie haben, und ich freue mich, wenn ich mit meinen Beobachtungen und Bildern etwas von meiner Begeisterung anderen Menschen vermitteln kann“, erläutert die Preisträgerin.
Eine besondere Entdeckung war für sie in diesem Sommer eine Bremse am Mindelsee. Sie hat ein Foto in der App iNaturalist hochgeladen, die Bestimmung der Bremse durch Expert*innen steht noch aus. Die Bremse landete auf ihrer Kamera, sodass sie sie mit ihren glänzenden und gemusterten Augen gut aufnehmen konnte. An den Mindelsee war sie gekommen, um die Libellenvielfalt zu bewundern – für sie ist die Bodenseeregion das schönste “Beobachtungsrevier” für Libellen.
Freude über neue Insektendetektive
Projektmanagerin Christine Kewes freut sich, dass die Challenge gerade auch junge Menschen für die Naturbeobachtung und Dokumentation per App motiviert hat. “Wenn sie dran bleiben, sind sie bald ähnlich versiert wie die erfahrenen User, die in der Challenge die Neulinge überholt haben”, sagt Christine Kewes.
Interessierte können auch weiterhin in der App iNaturalist (Insekten-)Entdeckungen hochladen. Sie lernen nicht nur viele neue Arten kennen, sondern tragen dazu bei, Forschungsdaten zu Insekten in der Region zu sammeln. „Mit Ihren Beobachtungen helfen Sie als Bürgerforscher uns, Arten und Bestände zu beobachten“, sagt Christine Kewes. Nutzer*innen der App können auch andere Tiere, Pilze und Pflanzen bestimmen lassen.
Das Projekt „Insektenfördernde Regionen“
Gefördert von der EU vereint das Projekt „LIFE Insektenfördernde Regionen“ unterschiedliche Partner für ein gemeinsames Ziel: den nachhaltigen Schutz von Insekten und Biodiversität von und mit verschiedenen Landnutzern über größere zusammenhängende Flächen hinweg. In sieben insektenfördernden Regionen werden regionale Biodiversitäts-Aktions-Pläne erstellt (Allgäu, Bliesgau, Bodensee, Hohenlohe, Nördlicher Oberrhein, Wendland) sowie der Vinschgau in Südtirol).
In jeder Region werden auf Demonstrationsbetrieben Maßnahmen für den Insektenschutz erprobt. Die Wirkungen auf die Insekten und die biologische Vielfalt werden per Monitoring erfasst. Gleichzeitig werden Landwirte, Berater und Lebensmittelunternehmen geschult und Verbraucher für das Thema sensibilisiert. Weitere Landwirte werden motiviert, einen Aktionsplan zur Insektenförderung zu entwickeln und umzusetzen. Im Projekt spielt auch eine Rolle, attraktive Anreize für Landwirte wie auch die (finanzielle) Honorierung des Engagements durch öffentliche Programme und die Lebensmittelbranche zu erwirken. Die in diesem Projekt erarbeiteten Ansätze sind auf weitere Regionen in ganz Europa übertragbar.