Wie kann die Gemeinsame Agrarpolitik Biodiversität fördern? Das Projekt CAP4GI hat Hemmnisse identifiziert und Verbesserungsvorschläge entwickelt Nun wurde der Abschlussbericht an das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg überreicht.

Fördermaßnahmen, die auf regionale und betriebsspezifische Besonderheiten eingehen; feste Ansprechpartner in der Beratung, die umfassend Vor- und Nachteile einer biodiversitätsfördernden Maßnahme einschätzen können; eine Entschärfung der Sanktionsrisiken bei freiwilligen Maßnahmen und eine Honorierung, die einkommenswirksam ist – das sind Auszüge von Vorschlägen, die Landwirtinnen und Landwirte, moderiert von der Bodensee-Stiftung, erarbeitet haben. Denn: Landwirtinnen und Landwirte sehen den Bedarf und haben den Wunsch, Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Aber sie sehen auch den Bedarf an Veränderungen in der aktuellen Förderpolitik auf Landes- bis EU-Ebene, um mehr Biodiversitätsmaßnahmen umsetzen zu können. Nun haben Projektteam und Landwirte die Ergebnisse an das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg überreicht – mit dem Wunsch, dass die erarbeiteten Lösungsvorschläge nicht nur auf Landesebene auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden.
Ideen wurden in regionalen Austauschplattformen erarbeitet
In drei Projektregionen in Baden-Württemberg (Bodensee, Hohenlohe und nördlicher Oberrhein) fanden über drei Jahre Austauschplattformen statt. Hier haben die teilnehmenden Landwirte diskutiert und Ideen entwickelt, wie Umsetzungsbedingungen verbessert und Hemmnisse abgebaut werden können, damit sie mehr für biologische Vielfalt tun und weiterhin wirtschaftlich arbeiten können. Jährliche Landesplattformtreffen haben die regionalen Austausche ergänzt und für Vernetzung der Regionen und einen breiteren Fokus gesorgt. Die Zusammenarbeit fand im Rahmen des bundesweiten Projekts „CAP4GI – GAP für vielfältige Landschaften. Hebel und Potenziale in der Gemeinsamen Agrarpolitik für eine bessere Unterstützung von grüner Infrastruktur, Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen“ statt.
Die identifizierten Hemmnisse und Verbesserungsideen sind breit gefächert. Sie erstrecken sich vom optimierten Austausch der Stakeholder von der Planung bis zur Umsetzung der Agrarumweltförderung, über die Optimierung der Beratung bis zur konkreten Maßnahmengestaltung und nicht zuletzt der angemessenen Honorierung. Die detaillierte Ausarbeitung der Lösungsvorschläge aus Baden-Württemberg sind in der Publikation “Mehr Biodiversität durch die GAP – Lösungsvorschläge aus Baden-Württemberg” zusammengefasst.
Projektabschluss mit positiver Bilanz und deutlichem Auftrag

„Die Weltgemeinschaft hat sich große und überlebenswichtige Naturschutzziele gesetzt. In Deutschland ist es nun wichtig, dass Politikerinnen und Politiker die Anregungen aus der Praxis aufgreifen und die Umsetzung von Naturschutz innerhalb der landwirtschaftlichen Vorgaben und Regeln erleichtern. Landwirtinnen und Landwirte müssen Freude an der Umsetzung haben“, sagte Carolina Wackerhagen, Projektleiterin seitens der Bodensee-Stiftung anlässlich des Abschluss-Treffens in Stuttgart. Vor Gästen aus Ministerien, Landwirtschaft und Landwirtschaftsverbänden sowie Naturschutz wurden hier die Projektergebnisse präsentiert. Dr. Rainer Oppermann vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität (ifab) stellte dabei in einem Vortrag die ökologische Wirksamkeit von Maßnahmen vor.
Christine Kewes, Projektmanagerin bei der Bodensee-Stiftung, hebt die Besonderheit der Zusammenarbeit hervor: „Die teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte haben sich in unserem Projekt gehört gefühlt, weil wir mit dem Austauschformat den Raum gegeben haben, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wir hoffen, mit unseren Ergebnissen mehr Mut zum Austausch zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu machen.
Eine Auswahl der Lösungsvorschläge im Überblick:
Berücksichtigung regionaler und betriebsspezifischer Gegebenheiten
Das Angebot an Maßnahmen sollte so breit gefächert sein, dass möglichst für jeden Betrieb geeignete Umsetzungsmöglichkeiten enthalten sind. Bestimmte Details der angebotenen Maßnahmen sollten nach Wunsch der Landwirte möglichst auf Länderebene oder darunter entschieden werden. So könnten Böden, Höhenlage und Klima bei Fristen besser berücksichtigt oder regional vorkommende Arten über ein Regionalbudget gefördert werden. Hintergrund ist, dass Detailentscheidungen zum Beispiel zu Stichtagen oder Zielarten auf nationaler Ebene regionalen Unterschieden oft kaum gerecht werden können. Hierfür sollten flexible Finanzquellen geschaffen werden, sodass ggf. auch der FAKT-Förderantrag abgeschafft werden könnte.
Niederschwellige und kompetente Beratung
Verbesserungsvorschläge aus dem Kreis der Landwirtinnen und Landwirte betreffen auch Kommunikation und Austausch: So sollten Maßnahmen, Förder- und Beratungsangebote breiter und besser kommuniziert werden. Feste Ansprechpartner, die Auswirkungen von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) einschätzen können, sollten leicht erreichbar sein. Außerdem sei ein verstärktes Monitoring der Wirksamkeit von Maßnahmen nötig.
Mehr Mitsprache in Beteiligungsplattformen
Landwirte und andere Stakeholder sollten bei der Planung und Evaluierung der Agrarumweltförderung aktiv eingebunden werden. Aktuell fühlen sie sich zu wenig gehört. Das Projektteam sieht in dialogorientierten Beteiligungsformaten die Möglichkeit, landwirtschaftliche Praxis, verschiedene zuständige Verwaltungen sowie Naturschutz, Beratung und Wissenschaft in der Neugestaltung der Agrarumweltförderung zusammenzubringen. Für die Phase der Umsetzung, wo aktuell ein wirksamer Mechanismus für Praxisfeedback und behördenübergreifenden Austausch fehlt, könnten regionale Praxisbeiräte die Lücke schließen.
Entschärfung von Sanktionsgefahren
Fehler bei freiwilligen Natur- und Umweltschutzmaßnahmen sollten nicht zu einer Gesamtbetriebssanktion führen. Bagatellgrenzen sollten erhöht werden und es sollten keine Sanktionen aufgrund von Wetter oder Eingriffen Dritter verhängt werden.
Abbau bürokratischer Hürden – Offenheit für innovative Vergütungsmodelle
Landwirtinnen und Landwirte zeigen sich offen für die Erprobung innovativer Modelle wie Gemeinwohlprämie, kooperative oder Punktemodelle. In jedem Fall sei die Verringerung bürokratischer Hürden unerlässlich. Die gesetzlichen Vorgaben sollten besser auf die Erfordernisse der Praxis angepasst werden. Erleichterungen bei Vorgaben dürften jedoch nicht zum Absenken der Standards zur Sicherung der Umweltqualität führen.
CAP4GI – GAP für vielfältige Landschaften
Das Forschungsprojekt „CAP4GI – GAP für vielfältige Landschaften“ (Common Agricultural Policy for Green Infrastructure) hat Empfehlungen für die ökologisch effektivere, in Betriebsabläufe passende und finanziell attraktive Gestaltung der Agrarförderung zum Erhalt der Artenvielfalt erarbeitet. Wichtiger Bestandteil des Projekts waren Austauschplattformen, auf denen Landwirtinnen und Landwirte Lösungen für eine verbesserte Gestaltung und Umsetzung der Förderung von Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt erarbeitet und sich mit Vertretern von Behörden und Naturschutz ausgetauscht haben. Die Plattformtreffen fanden in je drei Regionen in Baden-Württemberg und Thüringen statt.
Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, im Rahmen des Programms Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA).