Die Bodensee-Stiftung identifiziert mit internationalen Partnern nötige Kompetenzen für Beschäftigte im Weinsektor. Das Konsortium entwickelt im Projekt „Green Vineyards“ Aus- und Weiterbildungsprogramme zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung.
Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft und auch den Weinbau vor Herausforderungen. Um zukunftsfähig zu bleiben, sollten Akteur*innen Maßnahmen umsetzen, um sich dem Klimawandel anzupassen, als auch um Klimaschutz im Weinbau voranzutreiben. Beschäftigte in der Branche sehen sich deshalb mit neuen Qualifikationsanforderungen konfrontiert.
Partner aus Frankreich, Italien, Nordmazedonien und Spanien
Im Projekt „Green Vineyards“ identifiziert die Bodensee-Stiftung mit Partnern in Frankreich, Italien, Nordmazedonien und Spanien diese Anforderungen und erarbeitet, wie die benötigten Kompetenzen in Aus- und Weiterbildung vermittelt werden können. Zur Halbzeit des zweieinhalbjährigen Projekts hat das Team einen Leitfaden zu notwendigen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der im Weinbau Beschäftigten veröffentlicht.
„Winzerinnen und Winzer stehen einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Mit dem Green Vineyards-Projekt sollen Winzer*innen sowie die sie unterstützenden Personen bestmöglich auf die nötigen Themengebiete wie Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Schutz der Biodiversität vorbereitet werden“, sagt Andreas Ziermann, Projektleiter seitens der Bodensee-Stiftung. In einem nächsten Schritt wird ein entsprechendes (Online-)Aus- und Weiterbildungskonzept entwickelt. Die Schulungsinhalte werden frei zugänglich sein.
Leitfaden dient als europaweites Nachschlagewerk
Der Leitfaden, dessen Inhalte durch Umfragen und persönliche Interviews ermittelt worden sind, dient als europaweites Nachschlagewerk für politische Entscheidungsträger, Anbieter von allgemeiner und beruflicher Bildung, Beratungskräfte, Arbeitgeber, öffentliche Arbeitsverwaltungen und Lernende. Und er unterstützt Bemühungen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zur Förderung des lebenslangen Lernens aus einer nachhaltigen Perspektive. „Die Kompetenzen, die speziell für den Weinbau identifiziert wurden, als auch die darauf aufbauende (Online)- Plattform für die Aus- und Weiterbildung werden frei zugänglich und auch nach Projektende verfügbar sein. Beschäftigte in der Weinbranche haben so die Möglichkeit, sich immer wieder zu informieren bzw. Fortbildungsmodule in der für sie geeigneten Geschwindigkeit zu absolvieren oder zu wiederholen“, kündigt Dr. Kerstin Fröhle, Co-Projektleiterin bei der Bodensee-Stiftung, an.
Bei der Erstellung des Leitfadens stützte sich das Projektteam auf das Referenzmodell „GreenComp“. Dieses Rahmenwerk der Europäischen Kommission definiert Kompetenzen, die helfen, komplexen Herausforderungen zu begegnen und das Lernen für nachhaltiges Handeln unterstützen. Kompetenzen werden dabei als Kombination von Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen verstanden.
15 Kompetenzen für den Weinsektor entscheidend
Auf dieser Basis erarbeiteten die Konsortialpartner des Projekts „Green Vineyards“ 15 Kompetenzen, die sie insbesondere für den Weinsektor als entscheidend betrachten – zusammengefasst in den vier Bereichen „Gesamtwissen über den Klimawandel“, „Umweltmanagement mit Fokus auf den Klimawandel“, „Weinkultur und Gesellschaft mit der Perspektive Klimawandel“, „Management-Aspekte, die für den Sektor relevant sind“. Unter „Umweltmanagement“ zum Beispiel sind Kompetenzen zusammengefasst zu: Wasser- Boden- und Abfallmanagement, Biodiversität, Emissionsreduktion und Energieeffizienz. Zu jedem dieser Einzelaspekte sind die Bedarfe an Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen aufgeschlüsselt.
Eine Gruppe von Stakeholdern in den Ländern der Projektpartner evaluierte und validierte diese Kompetenzen in einem Online-Fragebogen, darunter Beschäftigte von Weingütern (51 Prozent), Wissenschaftler (18 Prozent), Nichtregierungsorganisationen, lokale Behörden, kleine und mittlere Unternehmen (20 Prozent). Die Befragten, die durchschnittlich über 18 Jahre Erfahrung in der Branche verfügen, bewerteten die Bedeutung und die Auswirkungen des Klimawandels im Weinsektor mit neun von zehn Punkten. 86 Prozent der Befragten bewerteten die vorgeschlagenen Kompetenzen als “kritisch” oder “wichtig” für den Sektor. Die Kompetenz, die die höchste Punktzahl erreichte, war Wassermanagement.
Best-Practice-Beispiele
Die Relevanz der aufgeführten Kompetenzen wird im zweiten Teil des Leitfadens anschaulich: Anhand von 22 vorgestellten Best-Practice-Beispielen können sich Akteur*innen der Weinbau-Branche einen Überblick über bereits erprobte Maßnahmen verschaffen und Entscheidungshilfen für künftige Weiterbildungsmaßnahmen erhalten. Die Beispiele stammen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Nordmazedonien und Spanien. Sie wurden teils von den Projektpartnern auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und Kenntnisse im Weinsektor eingebracht, teils aus den 181 Antworten und 25 Interviews mit den Stakeholdern ermittelt.
Zum Beispiel: Maßnahme fördert Wasserhaltevermögen, Schädlings-Nützlings-Verhältnis und Vielfalt auf und im Boden
So wird zum Beispiel ein nachhaltiges Begrünungsmanagement im Weinberg vorgestellt. Vielfältige leguminosen- und kräuterreiche Begrünungsmischungen, die gewalzt statt gemulcht werden, können die Vielfalt auf und im Boden fördern, zu einem ausgeglicheneren Schädlings-Nützlings-Verhältnis beitragen und das Wasserhaltevermögen des Bodens verbessern. Eine Maßnahme, die auf den Kompetenzen Klimawandelanpassung, Wassermanagement und Zukunftsfähigkeit beruht. Etwas andere Kompetenzen sind für Schafhaltung im Weinberg nötig, die die Grasnarbe kürzen und die Traubenzone entblättern. Emissionsreduktion, nachhaltige Weinproduktion und Klimaschutz sind grundlegende Kompetenzen für die CO2-Abscheidung und Wiederverwertung bei der Weingärung. Bei einem entsprechenden Beispiel aus Spanien wird das CO2 aus den Gärtanks in große Ballons geleitet, gesammelt und komprimiert, so dass es als Inertgas zum Befüllen von Weintanks verwendet werden kann, um Oxidation zu verhindern.
Weitere Informationen:
Europäische Union entscheidender Player im Weinsektor
In der globalen Weinbranche spielt die Europäische Union eine entscheidende Rolle: Auf die EU entfallen 45 Prozent der weltweiten Weinanbauflächen, 65 Prozent der Produktion, 57 Prozent des globalen Verbrauchs und 70 Prozent der Ausfuhren. Der Weinbau leistet einen wesentlichen Beitrag zum Agrarsektor, hat erhebliche Auswirkungen auf die ländliche Umwelt und bietet Millionen von Menschen in der EU Arbeitsplätze. Der Weinbau ist häufig gerade in ländlichen Gebieten ohne wirtschaftliche Alternativen von großer Bedeutung für die Gewährleistung des Lebensunterhalts.
Der Leitfaden Grüne Kompetenzen und nachhaltige Praktiken für den Weinsektor zum Download in den Sprachen der Projektpartner
Weitere Informationen zum Projekt Green Vineyards auf den Projekt-Websites: www.bodensee-stiftung.org/green-vineyards/ und www.greenvineyards.eu.
Die Partner im Projekt Green Vineyards:
• Bodensee-Stiftung (Deutschland)
• Universidad Internacional de La Rioja (Spanien)
• Institut de la vigne et du vin (Frankreich)
• CeSAR Centro per lo Sviluppo Agricolo e Rurale (Italien)
• IECE – Institute for research in environment, civil engineering and energy (Nordmazedonien)
• FEV – Federacion Espanola des vino (Spanien)
Kontakt:
Andreas Ziermann, Projektleiter: andreas.ziermann@bodensee-stiftung.org, Tel. 07732-9995-46
Das Projekt wird von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Erasmus+ für 30 Monate bis 2024 gefördert.
Das internationale Konsortium
Alle sechs Partner bringen umfangreiche Erfahrungen in den Projektfeldern Weinbau, Nachhaltigkeit und Online-Fortbildung ein:
- Die Universidad Internacional de la Rioja (UNIR) koordiniert das Projekt. UNIR ist eine hundertprozentige Online-Universität, die mit Hilfe innovativer Technologien eine qualitativ hochwertige Hochschulbildung anbietet. Sie zählt mehr als 55.000 Studierende, die in ihren persönlichen und virtuellen Klassenzimmern in mehr als 100 Ländern eine umfassende und personalisierte Ausbildung erhalten.
- Das französische Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Wein und Weinanbau Institut Francais de la Vigne et du vin (IFV) bringt sein Wissen darüber ein, wie sich der Klimawandel auf die Weinproduktion auswirkt und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Auswirkungen zu verringern.
- Das Centro per lo Sviluppo Agricolo e Rurale (CeSAR) in Italien bringt seine Erfahrung bei der Verwaltung von Ausbildungsprogrammen in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Umwelt und EU-Politik für Landarbeiter ein.
- Das nordmazedonische Institute for Research in Environment, Civil Engineering and Energy (IECE) verfügt über Erfahrung bei der Durchführung von umweltbezogenen Ausbildungskursen aus einer unternehmerischen Sichtweise heraus.
- Der spanische Weinverband Federacion Española del Vino (FEV), in dem mehr als 700 Weinkellereien aus dem ganzen Land zusammengeschlossen sind, stellt sowohl die Verbindung zu den spanischen Erzeugern her als auch zu den nationalen und europäischen, wie dem renommierten europäischen Verbands Comité Européen des Enterprises Vins.